Mein Weg zum Waldkindergarten

von Monika Hepp-Hoppenthaler


Im Zeitmagazin vom 17.3.1995 erschien ein Artikel, betitelt "Nass, aber glücklich!" über den Waldkindergarten in Lübeck. Ich war begeistert, besonders von den Fotos. Sie erinnerten mich an meine Kindheit in Wiesbaden, eine "Draußenkindheit" im Garten, auf dem Bürgersteig vor unserem Haus, auf der Straße, auf den Mauern der anderen Häusern, bei den Nachbarn, in den Feldern und im naheliegenden Wäldchen und zusammen mit meinen Eltern und Geschwistern in den Anlagen der Stadt Wiesbaden, im Goldsteinthal, im Taunus und am Rhein. Ich bin 1945 in Wiesbaden geboren, wohne seit 1975 in München, in zweiter Ehe, und habe drei Kinder.

Seit 1990 bin ich Erzieherin, habe aber nie eine für meine Pädagogik geeignete Einrichtung gefunden.

Im März 1995 gab es, laut Bericht des Zeitmagazins, vier Waldkindergärten in Deutschland: in Lübeck, in Flensburg, in Berglen bei Stuttgart und bei Frau Sube in Wiesbaden. Wiesbaden? Ich meldete mich bei Frau Sube an und fuhr nachhause nach Wiesbaden. Eltern, Kinder und Frau Sube trafen sich damals in der Nähe des Bundeskriminalamtes an einem Spielplatz. Der Wald beginnt hier und geht in den Taunus über. Ich durfte mitgehen, es regnete, aber vergnügt gingen die Kinder in den Wald, machten auf einem Baumstamm Brotzeit und redeten erstaunlich viel miteinander. Frau Sube war keine Erzieherin, sie hatte mit ihren eigenen Kindern angefangen in
den Wald zu gehen und dann, auf Anfragen von Eltern, andere Kinder mitgenommen. Die Waldkindergartenidee kommt aus Dänemark, dort gab es schon 1995 60 Waldkindergärten
und auch dort hat, ähnlich wie Frau Sube, eine Mutter auf diese Weise begonnen. Von Lübeck und Flensburg bekam ich ihre Konzepte und viele Tipps zur Gründung eines Waldkindergartens.

'Vereine gründen und erfolgreich führen' heißt ein Ratgeber. Den habe ich auch dringend gebraucht. Deutsche Vereinsmeierei! Die Vereinssatzung: Sieben Mitglieder, Mitgliederversammlung, der Vorstand,ein Notar. Ich habe es hingekriegt, erstaunlich.

Der Englische Garten ist kein Park im üblichen Sinne, besonders der nördliche Teil, auf der
anderen Seite des Mittleren Rings, ist eher naturbelassen. "Der gesamte Bereich des Englischen
Gartens liegt im Landschaftsschutz und vor 200 Jahren hatte man hier noch keine kinderfreundliche Einrichtung vorgesehen," schrieb mir Herr Köster, der Verwalter des Englischen Gartens im Juni 1995 auf meine Anfrage. "Ich kann Ihnen deshalb keine Genehmigung zum Aufstellen eines Bauwagens geben. Sie können aber gerne tägliche Exkursionen mit Kindern vornehmen."

Am 17 September 1995 war also unser erster Tag im Englischen Garten. Am nächsten Tag erschien
in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel: "Das Sitzen lernen sie noch früh genug" mit großem Foto. Zwei Erzieherinnen betreten Neuland in München. Schwabinger Naturkindergarten darf im Englischen Garten herumtollen! Von Thomas Kronewiter, der immer wieder über uns berichtet hat, was mich sehr gefreut hat und natürlich Reklame für den Waldkindergarten war. Er berichtete auch darüber, dass das Schulreferat meinen Antrag auf Zuschüsse abgelehnt hatte, weil das Gebäude fehlt. Ein Antrag auf Gelder wurde auch vom Sozialreferat abgelehnt. "Die Sache müsste von den Elternselbst aufgezogen werden." Elterninitiative also! Nein, ich wollte meine eigene Pädagogik verwirklichen, selbständig sein!

So verbrachten wir zwei Jahre ohne Bauwagen und vier Jahre ohne Zuschüsse, nur mit den Bei-
trägen der Eltern, erst am Chinesischen Turm dann im nördlichen Teil des Englischen Gartens. In der Mommsenstraße, einem Eingang zum Park, stand dann unser erster Bauwagen, gekauft für 1,- DM, sehr alt und "dahaut", aber unser erstes Zuhause. Zu verdanken hatte ich den Standplatz und den Bauwagen engagierten Eltern. Und immer mehr Eltern entdeckten den Waldkindergarten für ihre Kinder, 2001 hatten wir eine Gruppe von 14 Kinder und nach großer Beharrlichkeit von mir und einer engagierten Mutter einen neuen Standplatz und einen "neuen" Bauwagen im Englischen Garten, an der Gyßlingstr. bei den Schrebergärten. Wir sind Herrn Köster mit unseren vielen Besuchen wohl so auf den Wecker gegangen, dass er am Ende ein Einsehen hatte. Für den Waki war das eine riesige Freude. Am 13.3. berichtete die Süddeutsche Zeitung darüber.
    

Am 25.4. 1999 berichtete die "Nihon Keizai Shimbun, Inc. (Japanische Wirtschaftszeitung), die größte Wirtschafts- und Finanzzeitung Asiens, über unseren Waldkindergarten, mit Foto, Wahnsinn! Die Zeitung hatte vorher um Erlaubnis gebeten.

1999 sind wir auch Elterninitiative geworden. Von mir schweren Herzens, aber durch die Zuschüsse hatte das Personal endlich einen richtigen Verdienst, natürlich auch ich.

Viele wunderschöne Jahre vergingen mit tollen Kindern und prima Personal. Christoph war in einem Jahr Praktikant. Später hat er dann 13 Jahre im Waki als Erzieher gearbeitet hat. Nina,meine Tochter, auch als Praktikantin für ihr Soz.Päd. Studium, heute leitet sie eine Kinderkrippe, und viele andere. Die Künstlerin Evi Hock-Schmederer, jetzt mit der Uli, sind eine wöchentliche Bereicherung für die Kinder, meine Idee, eine Basteltante war ich nie.

Doch die Elterninitiative wurde mir zum Verhängnis. "Du hast ein mal gesagt, der Waki ist dein Lebenswerk!" Trotzdem habe ich zum 31.3. 2003 gekündigt. Auf einem großen Elternabend haben mir die Eltern gesagt, was ihnen alles an meiner Arbeit nicht passt und was ich ändern soll. Niemand hat mich verteidigt, auch meine damalige Kollegin nicht. So alleine und falsch gesehen gefühlt, habe ich gekündigt, am nächsten Tag. Heute ist der Waldkindergarten bei den Eltern gut aufgehoben. Wir haben schon 20 Jahre Waki gefeiert und ich habe meine "alten" Kids wiedergetroffen. In meiner Rede zu diesem Fest habe ich deutlich gemacht: Am Verein Naturkind- Waldkindergarten e. V. München im Englischen Garten ist nichts selbstverständlich, nichts!!